16. Apr 2025
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Makroausblick
Trumps Zoll-Chaos – eine Bestandsaufnahme
Der Zollschock, mit dem US-Präsident Trump am von ihm ausgelobten „Liberation Day“ („Tag der Befreiung“) aufwartete, hat die Finanzmärkte erschüttert. Sein Rundumschlag übertraf alle Erwartungen und stellt den globalen Wachstumsausblick in Frage. Die Unsicherheit im Hinblick auf mögliche Vergeltungszölle und andere Gegenmaßnahmen der größten Handelspartner der USA erschwert das Umfeld für Anleger. Wir werfen einen genaueren Blick auf den globalen Ausblick und die möglichen Reaktionen der Zentralbanken.
US-Präsident Trump hat einen Mindest-Zollsatz von 10% auf alle Einfuhren in die USA sowie zusätzliche Zölle auf Importe großer Handelspartner wie China, Japan und der Europäischen Union angekündigt, um die heimische Industrie zu stärken. Gegen Mexiko und Kanada, die diesmal ausgeklammert wurden, hatte Trump bereits zuvor Zölle verhängt. Trotz Ankündigung einer 90-tägigen Aussetzung der gegenseitigen Zölle werden diese Maßnahmen in der Gesamtheit den effektiven US-Zollsatz auf das höchste Niveau seit 100 Jahren heben. Außerdem bringen sie das Risiko einer weiteren Eskalation im Zuge neuer Verhandlungsrunden mit sich. Der beschleunigte Trend hin zu einer größeren wirtschaftlichen Autarkie hat weitreichende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.
US-Rezession wahrscheinlicher, aber noch nicht vorprogrammiert
Die wirtschaftlichen Frühindikatoren und das Verbrauchervertrauen in den USA haben sich abgeschwächt. Die Verfassung der privaten Haushalte bleibt entscheidend für den Wirtschaftsausblick der USA. Die Beschäftigungszahlen sind bislang zwar stabil geblieben. Die allgemeine Verunsicherung und die potenziellen Wohlstandsverluste durch den Börseneinbruch könnten den Konsum jedoch dämpfen. Anhaltende Ungewissheiten könnten zu einer größeren Investitionszurückhaltung der Unternehmen führen und so auch ohne Vergeltungsmaßnahmen von Handelspartnern das Rezessionsrisiko erhöhen.
Eine drohende Eskalation und Vergeltungsmaßnahmen erhöhen das Risiko eines globalen Handelskriegs und einer mittelfristigen globalen Deflation.
Vorgezogene Käufe in Erwartung höherer Zölle und das Risiko einer höheren Inflation dürften die US-Notenbank (Fed) zu einer abwartenden Haltung veranlassen, bis sich deutliche Bremsspuren in der Wirtschaft zeigen. Das größte Risiko sind ausgeprägte Marktverwerfungen, die ein Eingreifen der Fed erforderlich machen würden. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels ist die Liquidität am US-Anleihemarkt uneinheitlich; die kurzfristigen Kreditkosten deuten jedoch auf eine geordnete Preisbildung hin, sodass die Fed bislang nicht aktiv werden musste.
Das U.S. Macro Team von Nuveen rechnet in den USA aktuell mit einem Wachstum von etwa 0,7% für 2025 und Zinssenkungen von insgesamt 100 Basispunkten (Bps) bis Ende 2026. Durch die anhaltenden Ungewissheiten, auch aufgrund möglicher Vergeltungsmaßnahmen führender Handelspartner, sind unsere Prognosen jedoch mit Unsicherheiten behaftet.
Auswirkungen einer möglichen Zolleskalation auf den Ausblick für Europa
Am 9. April traten allgemeine Zölle in Höhe von 20% auf europäische Einfuhren in die USA in Kraft. Diese haben die bestehenden Wachstumsrisiken in Europa verschärft. Unsere Prognose eines BIP-Wachstums von 1% für die Eurozone berücksichtigt bereits einen möglichen negativen Wachstumseffekt von 0,3% durch neue Zölle. Die bisher ergriffenen Vergeltungsmaßnahmen sprechen jedoch für einen tendenziell noch stärkeren negativen Effekt. Da unsicher ist, wie lange die Zölle in Kraft bleiben werden, ist zusätzliche Vorsicht geboten. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht bislang kein Risiko einer vom Handel ausgehenden Rezession und scheint bereit, ihren Ansatz datenabhängiger Zinssenkungen fortzusetzen, um die Finanzkonditionen zu verbessern. Auch sie hat jedoch vor den „nicht zu vernachlässigenden“ direkten Auswirkungen eines Handelskriegs auf die Wirtschaft gewarnt.
Angesichts der erhöhten Unsicherheit an der Handelsfront rechnen die Märkte jetzt mit einer deutlicheren Lockerung der Zinsen im Jahr 2025. Die EZB wird zwischen den positiven Auswirkungen der angekündigten Konjunkturprogramme auf die Stimmung und den erheblichen Zollrisiken abwägen müssen. Unser Basisszenario geht von einer Senkung des Einlagenzinssatzes der EZB auf 1,75% im Jahr 2025 aus. Die Wachstumsrisiken und ein möglicher Stimmungseinbruch könnten zu einer noch etwas stärkeren Zinssenkung führen.
Höhere Risiken in Asien - China im Fokus
Da Asien die Hauptlast der Zölle tragen wird, sind die Wachstumsrisiken hier jetzt erhöht. Das gilt insbesondere für China, Japan und Südkorea. Obwohl das tägliche Hin und Her der US-Handelspolitik die Beurteilung der Lage erschwert, sieht sich China derzeit mit Zöllen von 125% konfrontiert, andere asiatische Volkswirtschaften mit Sätzen von 10%. Das ruft natürlich auch die Zentralbanken in der Region auf den Plan. Die Bank of Japan hat ihre nächste Zinserhöhung bereits aufgeschoben und andere Zentralbanken schwenken auf eine akkommodierendere Haltung um.
Da Asien die Hauptlast der Zölle tragen wird, sind die Wachstumsrisiken hier jetzt erhöht.
Je nachdem, wie die chinesische Zentralbank reagiert, rechnen wir in China 2025 mit einem Wirtschaftswachstum von 3,5-4,0%. Wie wir im vergangenen Monat bereits angemerkt haben, konzentriert sich die chinesische Regierung derzeit vor allem auf den Konsum. Damit schwenkt sie jedoch keineswegs auf westliche wirtschaftspolitische Ansätze ein, sondern will vor allem die Überkapazitäten in der Industrie angehen. Da sich diese durch die Zölle weiter erhöhen werden, könnte die chinesische Regierung noch weitere Maßnahmen ergreifen, um ihr Wachstumsziel zu erreichen.
Auch in Ländern wie Kanada, Australien und Großbritannien erhöhen die Zölle den Druck auf die Wirtschaft. So ist die positive, durch mehrere Zinssenkungen seit Mai 2024 angestoßene Dynamik zum Erliegen gekommen. In Australien dürfte das unsichere Umfeld die Zentralbank trotz einer starken Inlandsnachfrage zu einer schnelleren Lockerung der Zinsen veranlassen. Die britische Wirtschaft ist von den US-Zöllen zwar weniger stark betroffen. Auch hier führt die allgemeine Unsicherheit jedoch zu höheren Wachstumsrisiken und verschärft die schon jetzt schwierige Finanzlage der Regierung. Die Bank of England dürfte ihren Lockerungszyklus mit drei zusätzlichen Zinssenkungen in diesem Jahr fortsetzen.
Ruhe bewahren
Die politische Unsicherheit drückt auf die Stimmung und dürfte zu größeren Marktsorgen in Bezug auf den Wachstumsausblick für die USA führen. Hoffnungen auf Verhandlungserfolge könnten die Erwartungslage verbessern. Eine drohende Eskalation und Vergeltungsmaßnahmen würden jedoch das Risiko eines globalen Handelskriegs und einer mittelfristigen globalen Deflation erhöhen. Zusätzlich verstärkt wird die damit verbundene Volatilität durch die Ungewissheit, wie sich die Zentralbanken angesichts des potenziellen kurzfristigen Inflationsrisikos verhalten werden.
Anleger sehen sich mit einem Umfeld konfrontiert, das von höheren Zöllen geprägt ist, als noch Anfang 2025 erwartet wurde. Vor diesem Hintergrund wird das Zusammenspiel von Zollpolitik, Arbeitsmarktstärke und Zentralbankpolitik weiter den Risikoappetit und die Asset-Allokation-Strategien bestimmen.
Darüber hinaus werden auch längerfristige Faktoren wie die Handelsströme, die Unternehmensgewinne und die Verbraucherstimmung weiter im Fokus stehen. In diesem von einer erhöhten Unsicherheit und Volatilität geprägten Umfeld sind ein aktives Management und Bottom-up-Fundamentalanalysen wichtiger denn je und werden Anlegern helfen, die sich bietenden Chancen in verschiedenen Anlageklassen zu nutzen.
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